Frühstücken unter Seeadleraugen

sofa floß

Als es rummst und knirscht, jagt kurz ein Schrecken über das Gesicht von Klaus Lehmann. Der Leiter des Hitzackeraner Museums »Altes Zollhaus» steht am Steuer des Sofa-Floßes »Carmen», einer Art schwimmendem Clubzimmer – und das hat er gerade etwas unsanft auf den Elbestrand von Bitter, gleich gegenüber von Hitzacker, gesetzt.

»Wir sitzen fest, das ist jetzt etwas blöd», sagt Lehmann, aber sein Lächeln verrät: Allzu schlimm kann es nicht sein. Und ist es auch nicht, schließlich ist die »Carmen» mit ihrem stabilen, aber doch flexiblen Kunststoffrumpf für solche Strandlandungen ausgelegt. Und so können die sechs Radler, die am Fähranleger Bitter warten, auch kurz darauf an Bord der »Carmen» gehen, um mit ihr und einigen weiteren Fahrgästen die Elbe hinab nach Neu Darchau zu schippern. Seit 2010 bietet das Museum Fahrten mit der »Carmen» an. »Und das mit großen Erfolg», sagt Klaus Lehmann. Vor allem die Frühstücksfahrten erfreuen sich großer Beliebtheit, erzählt der Museumsleiter. »Dabei geht es in aller Frühe hinaus auf die Elbe bei Wussegel, wo geankert wird, um zu frühstücken. Und danach geht es langsam zurück nach Hitzacker», zählt er auf und schmunzelt. »Da braucht es dann meist nicht viele Worte, weil die Gäste fast immer so ergriffen sind von der Schönheit der Elbe am frühen Morgen, oftmals in leichtem Nebel, mitten in der Natur – das ist schon toll», schwärmt der geborene Münchner von den Vorzügen der niedersächsischen Elbtalaue.

Die meint es an diesem Morgen jedoch nicht besonders gut mit den Gästen auf der »Carmen». Ein kalter Wind treibt Nieselregen vor sich her und in die Gesichter der Reisenden, das trübe Wetter beschränkt die Sicht. Doch gegen die Kälte gibt es Decken, und »Wasser gehört nunmal dazu, wenn man aufs Wasser fährt», lächelt Martin Dreyer aus Hameln, der gemeinsam mit seiner Frau Gabriele als Passagier mit nach Neu Darchau fährt. Und die schlechten Witterungsverhältnisse sind auch gleich vergessen, als der erste Seeadler in Sicht kommt. Ruhig sitzt das stolze Tier auf einem hohen Baum und lässt sich kein bisschen stören von dem Reiseverkehr unter seinen Füßen. »Ein prachtvolles Tier», schwärmt Martin Dreyer, dessen Vater einst Pastor war in Hitzacker. »Schön, dass es sie hier wieder gibt.»

Unterdessen erzählt Klaus Lehmann davon, dass einst Lord Nelson und Lady Hamilton in Hitzacker an Land gingen, weil sie auf dem Weinberg eine englische Flagge erblickten. »Die hatte dort Gottfried-Kuno Schulz gehisst, ein ehemaliger Ostindien-Fahrer, dem damals der Weinberg gehörte», erzählt der Museumsleiter. »Und wegen des Besuchs hieß die Drawehnertor-Brücke auch lange Lord-Nelsen-Brücke», beendet er die kleine Geschichts-Lektion.

Es sind diese Geschichten über die Elbe, über Hitzacker und seine wunderschöne Umgebung, diedie Fahrten mit der »Carmen» ausmachen. Und natürlich die Natur der Elbtalaue, die sich an Bord des Sofa-Floßes von einem ungewöhn- lichen Standort aus bewundern lässt. Entenfamilien, die am Ufer ihre Bahnen ziehen, Möwen, die der »Carmen» in der Lüft das Geleit geben, Störche, Reiher, und hin und wieder sogar ein großer Fisch, der – jagend oder flüchtend – die Wasseroberfläche im Sprung durchbricht.

Das Frühstück, das auf den Tisch kommt, als das Sofa-Floß Rassau passiert, wird da fast zur Nebensache. Nur der Kaffee nicht. »Der wärmt», sagt Gabriele Dreyer. »Und tut gut.» Vorbei geht die Fahrt an den Orten an der Elbuferstraße, die teilweise dicht bewaldeten Hügel geben hier und dort den Blick frei auf prachtvolle Villen und große Häuser, einst gebaut von Hamburger Kaufleuten, und bei den allermeisten weiß Klaus Lehmann ganz genau, wer sie jetzt bewohnt. Auf dem anderen Elbufer sind hinter dem Deich die Giebel der wunderschönen, in ihrer Form den alten niederdeutschen Hallenhäusern nachempfundenen Gebäude zu sehen, die das Bild im Amt Neuhaus prägen. Jener Region, die vor fast genau 20 Jahren per Staatsvertrag wieder Niedersachsen zugeschlagen wurde, und in der sich viele Menschen heute abgeschnitten und isoliert fühlen, ohne die feste Elbquerung, die ihnen damals versprochen worden war.

Als am Horizont durch den Dunst die Umrisse der Fähre »Tanja» auftauchen, ist klar, dass die Fahrt ihrem Ende entgegen geht. »Eine tolle Fahrt, da macht das Wetter gar nichts aus», sagt eine Frau aus der Nähe von Paderborn, die mit ihrer Familie gerade die Ferien in der Nähe von Dömitz verbringt. Und auch Klaus Lehmann strahlt. »Was Schöneres, als auf der Elbe zu fahren, gibt es gar nicht», schwärmt der Museumsleiter und Sofa-Floß-Kapitän. »Hoffentlich können wir das noch lange so vielen Menschen wie möglich zeigen.»

Bild: Das Frühstück mitten auf der Elbe ist nicht das einzige, was eine Fahrt auf dem Sofa-Floß „Carmen“ zu etwas ganz Besonderem macht. Doch es gehört einfach dazu. Aufn.: R. Groß

ejz 21.05.13

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